2018, Kulinarik, start
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Frohe Ostern: Von Eiern, Körben und Hasen

Naturfarben Osterei

Grüner Donnerstag und rote Eier, gesüßtes Brot und geweihter Schinken, Kuchenlamm und Schokohase: kein Fest ist so reich an Ritualen und Symbolen wie Ostern. Ein Artikel über kulinarische Osterbräuche für Servus in Stadt und Land, März 2018.

Die Freude auf das Osterfest war immer schon von Magenknurren begleitet: „In der Vormoderne war die Nahrung einseitig und karg, dazu hielt man sich streng an die 40-tägige Fastenzeit bis es zu Ostern endlich überbordendes Essen gab,“ erklärt Michael Greger vom Salzburger Institut für Volkskunde.

Erste Vorboten der kulinarischen Freuden waren die Fastenbrezel oder -beugel: salzige, lange haltbare Brezen oder Ringe, manchmal gelaugt, manchmal mit Anis bestreut. In Salzburg brachten die Beichtgeher die Brezen vom Fastendult, dem vorösterlichen Jahrmarkt den Daheimgebliebenen mit. Die Vorarlberger Bäcker trugen auf sie auf Stangen und auch im barocken Wien boten die Bäcker am Hof Fastenbrezen feil.

Grüne Neune und magische Eier

Dass wir am Gründonnerstag Spinat essen, basiert laut Michael Greger auf einer „analogischen Verwechslung“: der Name Gründonnerstag kommt von greinen, grean, was jammern, klagen bedeutet. Als Fastenspeise ist Spinat schon lange beliebt: Katharina Prato, die Ikone der altösterreichischen Küche, schrieb vor 150 Jahren: „an Fasttagen vergießt man ihn mit Milch,“ in Habs & Rosners Appetitlexikon über die Küche des 19. Jahrhunderts heißt es „man gibt ihn als Gemüse mit Ochsenaugen (d.h. gebackenen Eiern), mit gerösteten Semmelschnitten oder mit gebratenen Kartoffeln…“.

Seit dem Mittelalter ist im Alpenraum auch die Neunkräutelsuppe ein gefragtes Gründonnerstagsgericht. Die Suppe aus Kräutern wie Giersch, Brennessel, Sauerampfer, Schafgarbe oder Gänseblümchen soll Glück bringen und gegen Geldknappheit und Fieber helfen. Neun gilt als heilige Zahl, weil sie dreimal drei enthält und Jesus am dritten Tag auferstanden ist. Im Burgenland bestand die Suppe aus siebenerlei Kräutern, was an die sieben letzten Worte am Kreuz erinnert.

Der Gründonnerstag war im Mittelalter der Antlasstag, an dem Schuld und Sünden erlassen wurden. Die an diesem Tag gelegten Eier sollten eine besondere Wirkung haben: Männer aßen sie roh, sie wurden und werden gegen Unwetter in Hausnähe oder in Ackergarben vergraben, auf Dachböden gelegt oder übers Haus geworfen. Antlasseier werden selten gefärbt, mitunter mit einem blauen Strahlenstern oder einem D verziert, aber nie zum Spielen verwendet.

ausgeblasene Eier

Osterstrauch

Zinseier, rote Oar und Eierspeisen

Die Tradition des Ostereis hat für Herbert Nikitsch vom Institut für Europäische Ethnologie vor allem wirtschaftliche Gründe: „In der Fastenzeit waren Eier als flüssiges Fleisch verboten, aber die Hühner hielten sich nicht daran.“ Sie wurden gesammelt, durch Einlegen in Kalkpulver haltbar gemacht, farblich gekennzeichnet und als Zins abgeliefert. Nikitsch: „Die Geistlichen verteilten die bunten Eier weiter und setzten so einen Geschenkmechanismus in Gang, der sich später in den bürgerlichen Haushalten verkindlicht hat.“

Der Volkskundler Michael Greger ergänzt: „Das war eine große Umverteilung: Bauern an Grundherrn, Grundherrn an Dienstboten, öffentlich Bedienstete und Patenkinder. Es sind etwa im Pinzgau genaue Auflistungen erhalten, wer wie viele rote Eier bekommt, das Salzburger Bürgerspital hatte im 12. Jahrhundert sogar eine eigene Eierstiftung.“

Im Burgenland sagen heute noch manche „rots Oar“, egal um welche Farbe es sich handelt. Rot ist als Opferfarbe die wichtigste Eierfarbe und seit dem 13. Jahrhundert gebräuchlich, später kamen andere Farben und Verzierungen dazu. Die Bäuerinnen färbten früher mit Erlenrinde, Kaffee, rote Rüben und Zwiebelschalen. Im Lungau wird für das Growialachoar Kerbel aufs Ei gebunden, in Stinatz ist das Eierkratzen populär.

Die ersten gefärbten Eier bekamen am Palmsonntag die Palmbuschenträger nach dem Hennaeinhagern, also nachdem sie die Buschen dreimal um Haus und Hühnerstall getragen haben. Eier gab es für Patenkinder, Ratschenbuam und jene, die geweihtes Osterfeuer ins Haus brachten. Frauen verteilten rote Eier als Liebesgabe, und hofften im Gegenzug auf ein Lebkuchenherz beim Kirtag. In Kärnten war bei den zwei Eiern für den Angebeteten ein Reinling-Scherzel dabei.

Die im Überfluss vorhandenen Eier verarbeiteten die Innviertler Köchinnen mit Milch und Zucker zu Oarkas, im barocken Salzburg Eyekäß genannt. Die Kärntner schwören auf scharfen Eierkren und in der Steiermark ißt man Oar in Schmalz oder Oarfisch: in Schmalz gebackene Eier.

Mit dem Weihkorb zum Altar

frische Pinzen

Am Karfreitag und Karsamstag gilt es den Korb für die Speisensegnung zu füllen. „Für diesen alten Brauch gibt es ab dem 7. Jahrhundert handfeste Belege, Benedictionen und Litaneien,“ erklärt Herbert Nikitsch.

In den geflochtenen Korb kommt zu hellem Osterbrot, Kren, Salz und Eiern immer auch Schinken oder Geselchtes, idealerweise wurde das Herdfeuer zum Kochen desselben mit einem geweihten Baumschwamm entzündet. Im niederösterreichischen Wechselgebiet hing das Fleisch für den Segen aus Rom über Nacht auf einem hohen Baum, andernorts ließ man ein Schulterstück segnen, die Knochen steckte man im Burgenland aufs Dach oder vergrub sie in Niederösterreich am Feld: „Die g’weiht’n Boan’ begrabt ma inner’m Roan.“

„Die Speisenweihe ist in Kärnten und der Steiermark so etwas wie das achte Sakrament,“ lacht Michael Greger. In Kärnten dürfen Reinling, Osterwürste und – vor allen in Oberkärnten – die mit Mohn, Honig und Rosinen gefüllte Butter nicht fehlen. In der Steiermark sind Zunge und Osterkrainer ein Muss und in Oberösterreich formten die Bäuerinnen früher kunstvolle Butterstöckl. Die Salzburger packten bis in die 1960er-Jahre noch Getreide und Hühnerfutter in den Korb. „Den Hühnern hat man auch Weihbrot gegen den Habicht gefüttert,“ erzählt Michael Greger.

Das kunstvoll bestickte Weihkorbdeckerl geht laut dem Salzburger Heimatforscher allerdings auf Handarbeitsinitiativen in den 1970er-Jahren zurück, davor handelte es sich um ein einfaches, weißes Tuch, mitunter das Altardeckerl aus dem Herrgottswinkel.

Der Korb wurde – im Lugau etwa von der Moardirn am Kopf – zur Segnung zum Altar getragen, nach der Kirche gab es einen Wettlauf nachhause, denn von Burgenland bis Vorarlberg galt: diejenige, die zuerst ankommt, wird auch bei der Arbeit als erste fertig sein.

Kunstvolles Gebildbrot

Die Kombination von Schinken, Kren und süßem Germgebäck scheint ungewöhnlich. Der bitter-scharfe Kren soll nach landläufiger Meinung an die Leiden Christi erinnern, das süße Gebäck die Fülle nach dem Fasten zeigen. Österliches Brauchtumsgebäck hat viele Gesichter, vom Tiroler Fochaz über den Kärntner Reinling bis zum Ober- und Niederösterreichischen Beugel und Osterkranzl. Es taucht in Form von Hirschen in Salzburg, Hennen in Tirol und Pferden in Südtirol auf. „Die Vorarlberger Bäcker haben verschiedene Zopfbrote, meist in Kranzform mit eingebackenen Eiern produziert,“ weiß der Dornbirner Volkskundler Hanno Platzgummer.

„Wir ratschen, wir ratschen zur Pumpermetten, Weiber, steht’s auf und backt’s Osterflecken,“ sangen die Ratschenbuam in der Karwoche im Burgenland und im Waldviertel. Die pflugradgroßen Fladen mit strahlenartigen Prickelungen verspeiste man vor allem in Ost-Österreich, während die heute gängige Osterpinze Mitte des 19. Jahrhunderts über Italien zu uns kam.

Zu den Osterfeiertagen engagierten die meist reichen Paten eigene Köchinnen. „Sie luden ihre vielen Patenkinder ein und sorgten dafür, dass sie sich endlich einmal satt und darüber hinaus essen konnten“, so Michael Greger. Für daheim gab es dann noch einen mehrere Kilo schweren Striezel, den Godnstrutz oder das Godnkipfl, in welches Paten, die es sich leisten konnten, Geldstücke steckten.

 

Anis in Wein zum Pinzenbacken

Von Lämmern und Hasen

Ob gebraten, als Biskuit oder als modellierte Butter mit Locken aus der Erdäpfelpresse gefällt das Lämmchen allerorts am Ostertisch: Lamm wurde bei den Juden zum Pessach-Mahl gegessen, ein Brauch, den die Christen fürs Osterfest übernommen haben. Das Lamm, das willig zur Schlachtbank geht und sein Leben lässt symbolisiert laut Michael Greger den Messias, das so genannte Lamm Gottes.

Die Fabel vom Eier versteckenden Osterhasen taucht im deutschen Sprachraum erstmals im 17. Jahrhundert auf. Woher der Hase kommt? Die einen vermuten, dass ein schlecht gezeichnetes Lamm dahintersteckt, die anderen bringen die städtisch-biedermeierliche Ostergestaltung für Kinder, die nicht wussten, wer die Eier legt, mit dem Aufkommen von industriellem Rübenzucker in Verbindung. Herbert Nikitsch: „Die Konditoren modellierten Schokoladefiguren, und der Osterhase begann als Gabenbringer eine wichtige Rolle im Erziehungssystem zu spielen.“

 

Festlicher Schmaus

Höhepunkt der Feiertage ist die Osterjause am Sonntag, durch die Weihe gewannen die Speisen im Volksglauben besondere Bedeutung und Kräfte. „In manchen burgenländischen Ortschaften schluckte man davor noch drei Palmkätzchen auf nüchternen Magen, in anderen ging man mit dem Weihfleisch dreimal betend ums Haus, damit keine Schlangen hineinkommen,“ erzählt Elke Ferderbar vom Landesmuseum Burgenland.

Dann wird endlich der Korb geleert: die Kärntner kombinieren waghalsig Eierkren, Reinling, Mohnbutter und Schinken, in der Buckligen Welt stapeln sich Weißbrot, Schinken, Kren und Eierspalten Schicht auf Schicht zum Osterstoß, der von Familie gemeinsam aufgegabelt wird, mit den bunten Eiern werden Spiele wie Oarwerfen oder Eierpecken veranstaltet und auch sonst gibt es von Region zu Region, von Familie zu Familie allerlei Unterschiede und doch viele Gemeinsamkeiten. Für den Volkskundler Herbert Nikitsch ist das Osterfest nicht nur das wichtigste kirchliche Fest, sondern symbolisiert auch den „Siegeszug der bürgerlichen Familie.“ Zu Ostern sollte früher das Teilen der geweihten Speisen Zusammenhalt bringen, es ist auch heute noch eine gute Gelegenheit, nachhause zu kommen, gemeinsam am Tisch zu sitzen und zu essen.

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