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Joseph-Brot: Vom Wirken und Warten

„Schau, der eine Sauerteig ist rötlich, der andere fast grau… Probier, das ist ein 960er-Mehl! Hier ruht der Vorteig, was riechst du?“ Wenn Josef Weghaupt durch die Backstube geht, spürt man seine Begeisterung für das Bäckerhandwerk.

2009 hat sich der Lebensmitteltechnologe mit Joseph-Brot selbständig gemacht, vergangenes Jahr bezog er nach sechs Jahren in Vitis die neue Backstube in Burgschleinitz, an der äußersten Grenze des Waldviertels. „Wir wollten hierbleiben, wo wir daheim und getreidetechnisch verankert sind.“ erklärt Josef: „Im Waldviertel ist es ruhiger als anderswo, und es ist üblich, dass du anpackst, wenn es etwas zu tun gibt.“

In dem modernen Bau mit viel Holz und noch mehr Glas backen rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zwei Schichten neun Sorten Brot, Kleingebäck und Süßes für die Joseph-Geschäfte, Wiederverkäufer und Gastronomie. „Durch die Glasfronten kannst du den Sonnenaufgang sehen, Rehe und Hasen beobachten und zuschauen, wenn es blitzt. Mehr in der Natur geht nicht.“

Am Anfang ist das Korn

Christian Hameters Felder liegen ein paar Kurven weiter, in Maissau im Weinviertel. Er baut unter anderem den alten Capo-Weizen an: „Beim Weizen gibt es immer wieder neue Sorten, mit besserem Protein für Semmeln und und und, aber nicht alles Neue ist immer besser“ erklärt er.

Vor fast zehn Jahren übernahm Christian Hameter die Landwirtschaft der Eltern, 270 Tonnen Weizen hat er vergangenes Jahr geerntet, dazu Mais, Luzerne, Kürbis. Seit 2004 wirtschaften die Hameters biologisch. „Das war die richtige Entscheidung.“ Bio bedeutet mehr Aufwand und weniger Ertrag, aber der Bauer weiß genau, wie er mit seinen Feldern umgehen muss. Sein Getreide steht dünner als konventionell angebautes, das hilft bei Trockenheit. Auch die Fruchtfolge wirkt sich aus, auf den Feldern gegenüber hat die Zuckerrübe das Wasser aus dem Boden gezogen, bei ihm ist dank Kürbisanbau im vergangenen Jahr noch Feuchtigkeit vorhanden. Dennoch würde er sich über etwas Niederschlag freuen, schon allein um die kleinen Käfer abzuspülen, die die Blätter anknabbern, was verhindert, dass der Weizen Stärke bildet. „Ein ordentlicher Regen wäre jetzt etwa 20.000 Euro wert.“

Die Mühle klappert laut

Nach der Weizenernte im Juli lagert das gesiebte und von Kamille, Kletten und Beikraut gesäuberte Getreide noch etwa ein halbes Jahr, dann geht es in die Mühle, wo es erneut gesiebt, kontrolliert und liegen gelassen wird. Die Rannersdorfer Mühle südlich von Wien ist 400 Jahre alt, seit 2001 kommt hier ausschließlich Biogetreide unter die Mahlsteine, die vom eigenen Wasserkraftwerk am Mühlbach betrieben werden.

Josef Weghaupt ist in ständigem Austausch mit der Mühle, sucht seine Getreidequalitäten aus und lässt nach seinen Vorgaben und Ausmahlungsgraden arbeiten. Die große Steinmühle vermahlt die Körner für den Joseph-Urlaib schonend und langsam, eine zu hohe Temperatur würde die Qualität mindern. Es ist laut in der Mühle, allerorts scheppern und rütteln die Maschinen, dennoch findet man hier weniger Mehl als auf Josefs Turnschuhen in der Backstube. Rohre und Schläuche transportieren Getreide, Schrot und Mehl fast unsichtbar über mehrere Stockwerke hinweg.

Gut Laib braucht Weile

Nach einer weiteren Ruhephase im Silo in Burgschleinitz ist es so weit: aus Mehl wird Brot. Der Urlaib ist ein 100-prozentiges Vollkornbrot, dicht, saftig und mit reichlich Anis, Fenchel und Koriander. „Das ist ein vergleichsweise simples Brot mit Sauerteig,“ erklärt Josef. Von wegen simpel: „Der Sauerteig muss genau den richtigen Punkt, den exakten Säuregrad haben, das ist der Clou.“

Der Hubkneter arbeitet langsam Sauerstoff zur Hefevermehrung in den Teig, zuletzt schüttet Backstubenleiter Julius das Quellstück dazu: gemälzte, also getrocknete keimende Körner, die für mindestens 12 Stunden in Wasser gequollen sind. „Das Quellstück ist wichtig, durch den Keimvorgang bilden sich Enzyme, die die Randschichten aufknacken. Brot ohne Quellstück schmeckt erdig und dumpf.“ Jetzt muss der Teig ein wenig rasten.

Joseph, das Brot

Beim klassischen Josephbrot spielen noch mehr Faktoren mit: den Vorteig hat Josef vor 24 Stunden angerührt, der Sauerteig ist 12 bis 18 Stunden alt, dazu kommen Roggen- und Weizenmehl, Wasser, aber keine Hefe. Während der Teigruhe regeln zwei Kühlsysteme Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Fermentation, Malzkomponente, Enzymaktiv – wenn Josef über sein Brot spricht, klingt das sehr kompliziert, aber am Ende zählt nur, dass er den Dreh raushat, dass das Brot lange frisch bleibt, leicht verdaulich ist und gut schmeckt.

josef faltet joseph

Nach vielen Runden im Hebelmischer ist der Kleber im Teig aktiviert, er duftet und hat Spannung. Am großen Holztisch, den sie Tafel nennen, beginnt das Ausarbeiten. Zwei Bäcker trennen Teigstücke ab und wiegen sie, Josef faltet Stück für Stück rundum vom Rand in die Mitte, daraus werden später die kleinen Spitzen. Mit der Oberseite nach unten legt er sie ins Simperl und arbeitet konzentriert weiter. Ein Duzend ist voll, nächstes Brett, Simperl für Simperl füllt sich bis 150 fertig sind. Teigruhe.

Hoher Anspruch

Zurück zum Urlaib, jetzt heißt es nicht falten, sondern wirken: die fertig gerollten Teigkugeln kommen auf ein Brett zum Rasten. Sie gehen etwas in die Breite, und auf der bemehlten Oberfläche entsteht eine Marmorierung, die Josef begeistert: „Schee, schee, schee.“

Josef Weghaupt setzt auf natürliche Zutaten, Handarbeit und Genuss. Sein Anspruch ist hoch: „Wäre unser Dinkelbrot dunkler, würden wir mehr verkaufen, aber Dinkel färbt nicht, und wir geben nichts ins Brot, was keinen Sinn hat.“

In einer kurzen Pause rechnet er die Sauerteigmengen für den nächsten Tag aus, Julius mischt das Quellstück für morgen. Einen Tisch weiter zeigt die Waldviertlerin Gerti  dem jungen Syrer Mohammed das Semmelfalten. „Wir sind bunt gemischt, unsere Mitarbeiter kommen aus der Umgebung, aus Tschechien, Japan, von überall her.“ Cesay aus Gambia arbeitet seit vergangenem Herbst in der Backstube. „Er hat den Thermoölofen schon voll im Griff, das ist unglaublich,“ zollt ihm der Chef Respekt.

Cesay hat keine Zeit zum Reden, während zwei Bäcker zackig das Josephbrot aus den Simperln stürzen, öffnet er die Ofentür und schießt die ersten Brote ein. Damit der Dampf alle gleichmäßig erreicht, muss er schnell sein. Dann heißt es wieder warten, bis das Brot nach 1 Stunde und 7 Minuten fertig ist.

Also fast: Wie alle Sorten kühlt es nach dem Ausbacken vollständig ab und kommt dann ein zweites Mal kurz in den Ofen, damit die Kruste resch wird und das Innenleben lange weich und saftig bleibt. Josef Weghaupt ist davon jedes Mal aufs Neue angetan: „Am glücklichsten bin ich, wenn ich ein frisches Brot anschneide und die Qualität sehe, dann weiß ich, dass sich das, was wir aufführen wirklich auszahlt.“

joseph.co.at

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